
Einleitung
Der
Begriff der Gebrauchslyrik leitet sich aus der Stimmung der Neuen Sachlichkeit
ab. Gebrauchslyrik war in der neuen Sachlichkeit in den 1920er-Jahren
eine typische Ausdrucksform. Der Begriff wurde 1927 aufgrund eines
Lyrikwettbewerbs von Bertolt Brecht geprägt, weitere wichtige Vertreter dieser
Form der Lyrik sind Erich Kästner, Kurt Tucholsky und Joachim Ringelnatz.
Die Neue Sachlichkeit kam vor allem als Reaktion auf die vorherigen literarischen Bewegungen auf und entstand aus dem Bedürfnis ein neues Typ von Literatur, die die moderne Gesellschaft interpretieren könnte; das dringende Bedürfnis einer neuen Literatur, das sich für das erste Beispiel der Republik des Deutschen eignete. Die Geburt der Weimarer Republik stellt einen historischen Bruch für Deutschland dar, weil sich mit dem Ende des Deutschen Kaiserreiches und mit einer neuen Form von Staat befassen muss.
Was man unter Gebrauchslyrik versteht
Bei Gebrauchslyrik handelt es sich um Gedichte, die dem Leser nützen - er kann sie also "gebrauchen"., Man kann darunter Gedichte verstehen, deren Produktionsabsicht auf einen Anlass abzielt, z.b. Kirchenlied, Gebetsspruch, Geburtstagsständchen, Poesiealbum-Spruch, Hochzeitsgedicht usw.
Tucholsky alias
Tucholsky alias wurde am 9. Januar 1890 in Berlin geboren und
ist am 21. Dezember 1935 in Göteborg gestorben. Er war ein deutscher Journalist
und Schriftsteller und zählte zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer
Republik.
Tucholsky veröffentlichte unter dem Namen ,,Ignaz Wrobel“ in
der Wochenzeitschrift "Die Weltbühne" am 27.11.1928 einen Text, der
heute im Deutschunterricht sehr gerne verwendet wird, um den Schülern den Stil
von Kurt Tucholsky zu erläutern.
Darin stellt Kurt Tucholsky alias genau das Thema
Gebrauchslyrik dar und was er darunter versteht. Seiner Ansicht nach gab es
seit jeher eine bestimmte Art der Lyrik. Die Gebrauchslyrik muss seiner Meinung
nach nicht gesellschaftlich belanglos sein:
„Es hat zu allen Zeiten eine Sorte Lyrik gegeben, bei der die Frage nach dem Kunstwert eine falsch gestellte Frage ist: ich möchte diese Verse ›Gebrauchs-Lyrik‹ nennen. Nur scheinbar hebt hier ein Begriff den andern auf.
Der politische, ethische oder religiöse Zweck benutzt, um auf die Massen zu wirken, die Formen der Kunst, deren nicht alltägliche Ausdrucksformen ihm sehr gelegen kommen. Die Wirkung soll sofort erfolgen, sie soll unmittelbar sein, ohne Umschweife – die These passiert also nicht die Kunst, sie wird nirgends sublimiert, sondern unmittelbar, in literarischer Maskerade, vorgeführt. Dergleichen hat nichts mit ›Tendenzkunst‹ zu tun, die das grade Gegenteil der Gebrauchslyrik ist: ein tendenziöses Gedicht ist ein Gedicht; die Verse der Gebrauchslyrik sind gereimtes oder rhythmisches Parteimanifest. “
Beispiele für Gebrauchslyrik
1- Lyrikschadchens Grußformel
Liebe Gäste, ihr seid da –
schön, dass euch der Tag war klar.
Scheitert’ wohl so manch Termin
den man ließ am Festtag ziehn,
weil man keinen Kuli fand,
der entfernt von seinem Band -
lag da nur ’ne Faden-Öse
und man war dem Schicksal böse.
Manchmal war die Mine leer,
Gute Laune? Ging nicht mehr.
Ja die Miene blieb
nicht heiter,
und der Ärger ging noch weiter - - -
Nein – ihr seid heut hergelaufen
müsst euch nicht die Haare raufen,
seid wohlmöglich hergeeiert-
weil ihr hofft- hier wird gefeiert,
nächtens dann vielleicht gerei…
weil das Bier in Strömen floss,
was den Magen sehr verdross.
Ja – so könnt’ es heute werden –
Keiner soll hier auf der Erden
schlafen müssen
ohne Kissen.
Essen, Trinken sind bestellt –
Feiert, bis die Nacht sich hellt!
2- Hochzeitgedicht von Wilhelm Busch
O wie lieblich, o wie schicklich
sozusagen, herzerquicklich
ist es doch für eine Gegend
wenn zwei Leute, die vermögend
(Gut, gut, daran müsst ihr vielleicht noch etwas arbeiten)
...wenn zwei Leute, die vermögend
und dazu mit sich zufrieden
aber von Geschlecht verschieden
wenn nun diese, sag ich, ihre
dazu nötigen Papiere
sowie auch die Haushaltssachen
endlich mal in Ordnung machen
und in Ehren und beizeiten
hin zum Standesamte schreiten
(Nun, das war ja bei euch schon! Dass ihr so kleckert, konnte Wilhelm Busch schließlich nicht ahnen)
… hin zum Standesamte
schreiten
wie es denen, welche lieben
vom Gesetze vorgeschrieben
dann ruft jeder freudiglich:
(Alle) „Gott sei
Dank! -
(Erich) … die haben
sich!“